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Der § 34 SGB VIII (mit Anmerkungen)

Sozialgesetzbuch (SGB) – Achtes Buch (VIII) – Kinder- und Jugendhilfe –
(Artikel 1 des Gesetzes v. 26. Juni 1990, BGBl. I S. 1163)
§ 34 Heimerziehung, sonstige betreute Wohnform

Heimerziehung oder sonstige betreute Wohnform soll Kindern oder Jugendlichen eine dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entsprechende Erziehung gewährleisten, wenn eine Erziehung in der Familie nicht oder nicht ausreichend sichergestellt ist. Sie soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder Jugendlichen sowie seinen persönlichen Bindungen, Bedürfnissen und Fähigkeiten eine Förderung seiner Entwicklung und eine Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gewährleisten.

Zentrale Grundnorm von § 34

§ 34 beschreibt keine Sonder- oder Ausnahmesituation, sondern eine reguläre Hilfeform, wenn familiäre Erziehung (zeitweise oder dauerhaft) nicht ausreichend möglich ist.

Wichtige Kernaussagen:

  • Maßstab ist das Wohl des Kindes, nicht die Leistungsfähigkeit oder Schuld der Eltern.
  • Stationäre Unterbringung ist kein Straf- oder Zwangsinstrument, sondern ein pädagogischer Schutz- und Entwicklungsrahmen.
  • Erziehung und Förderung stehen gleichrangig nebeneinander.

Die Hilfe soll insbesondere

  1. die Rückkehr in die Familie zu erreichen versuchen, sofern dies dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entspricht, oder
  2. die Erziehung in einer anderen Familie oder
  3. die Vorbereitung auf eine eigenständige Lebensführung unterstützen.

Absatz zu Perspektiven und Zielrichtungen

Dieser Teil macht deutlich, dass § 34 keine starre Unterbringungslogik verfolgt. Stationäre Hilfe ist immer prozesshaft gedacht.

Mögliche Perspektiven sind:

  • Rückführung in die Herkunftsfamilie (bei stabilisierbarer Familiensituation)
  • langfristige Unterbringung außerhalb der Familie (z. B. Pflegefamilie)
  • schrittweise Verselbstständigung (insbesondere bei älteren Jugendlichen)

Entscheidend ist:
Nicht die Einrichtung bestimmt die Perspektive, sondern der individuelle Entwicklungsverlauf des jungen Menschen.


Die Hilfe ist zeitlich befristet und wird regelmäßig im Hilfeplanverfahren nach § 36 überprüft.

Bedeutung der Befristung

Die Befristung bedeutet nicht, dass stationäre Hilfen grundsätzlich kurz sein müssen.
Sie bedeutet:

  • keine „automatische Dauerunterbringung“
  • regelmäßige fachliche Überprüfung
  • Anpassung der Hilfe an Entwicklungsschritte

Das Hilfeplanverfahren ist damit das zentrale Steuerungsinstrument:

  • Ziele werden überprüft
  • Fortschritte und Schwierigkeiten bewertet
  • Perspektiven weiterentwickelt

Die Hilfe wird in einer Einrichtung über Tag und Nacht oder in einer sonstigen betreuten Wohnform geleistet.

Formen der Hilfe nach § 34

§ 34 ist bewusst offen formuliert, um unterschiedliche pädagogische Konzepte zu ermöglichen. Dazu gehören u. a.:

  • klassische Wohngruppen
  • heilpädagogische Wohngruppen
  • Außenwohngruppen
  • Verselbständigungsgruppen
  • betreute Jugendwohneinheiten im Rahmen stationärer Hilfe

Gemeinsames Merkmal:

  • pädagogisch gestalteter Alltag
  • verlässliche Beziehungspersonen
  • strukturierter Lebensrahmen

Die Ausgestaltung der Hilfe hat unter Berücksichtigung der Beteiligung des Kindes oder Jugendlichen zu erfolgen.

Beteiligung als verbindliches Prinzip

Auch in stationären Hilfen gilt:

  • Kinder und Jugendliche sind Subjekte, nicht Objekte der Hilfe.
  • Ihre Sichtweisen, Wünsche und Sorgen sind zu berücksichtigen.

Beteiligung bedeutet z. B.:

  • altersangemessene Aufklärung über die Hilfe
  • Mitwirkung an Zielvereinbarungen
  • ernsthafte Einbeziehung in Alltags- und Perspektiventscheidungen

Beteiligung ist kein pädagogisches „Extra“, sondern rechtlich geboten.


Die Hilfe soll dazu beitragen, soziale Beziehungen zu erhalten und zu fördern, insbesondere zu Eltern und Geschwistern, soweit dies dem Wohl des Kindes oder Jugendlichen entspricht.

Beziehung zur Herkunftsfamilie

§ 34 bedeutet nicht automatisch Kontaktabbruch zur Familie.

Vielmehr gilt:

  • Beziehungen sollen erhalten werden, wenn sie förderlich oder zumindest nicht schädlich sind
  • Kontakte können begleitet, strukturiert oder begrenzt werden

Ziel ist immer eine entwicklungsförderliche Beziehungsgestaltung, nicht formale Kontaktpflege um jeden Preis.


Zusammenfassende Bedeutung von § 34 SGB VIII für die Praxis

Juristisch:

  • § 34 ist eine Hilfe zur Erziehung im Rahmen von § 27 SGB VIII.
  • Voraussetzung ist ein erzieherischer Bedarf, nicht eine Diagnose.
  • Die Hilfe ist hilfeplanpflichtig (§ 36 SGB VIII) und regelmäßig zu überprüfen.

Fachlich/pädagogisch:

  • Stationäre Unterbringung dient Schutz, Stabilisierung und Entwicklung.
  • Beziehung, Alltag und Struktur sind zentrale Wirkfaktoren.
  • Die Hilfe ist prozesshaft, perspektivoffen und entwicklungsorientiert.

Abgrenzung zu § 35a:

  • § 34 → erzieherischer Bedarf
  • § 35a → seelische Behinderung mit Teilhabeeinschränkung

In der Praxis sind Übergänge und Kombinationen möglich, entscheidend ist die Hauptursache des Hilfebedarfs.


Quelle Gesetzestext:
Bundesamt für Justiz, Gesetze im Internet – § 34 SGB VIII, Stand 18.12.2025

Kommentare und Hervorhebungen sind nicht Bestandteil des Gesetzestextes.

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